Propaganda in russischen Medien
Seit Jahren wurde die Meinungs- und Pressefreiheit in Russland weiter eingeschränkt, in den letzten drei Wochen hat sich die Situation aber noch mal extrem verschlechtert - unabhängige Informationen sind kaum noch zugänglich.
Dr. Anna Litvinenko hat in St. Petersburg studiert und war in der Vergangenheit sowohl für russische, als auch für deutsche Medien als Journalistin tätig. Aktuell arbeitet sie an der FU Berlin am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft.
Putins Propaganda
Per neuem Mediengesetz sind in Russland unabhängige Informationen über den Krieg verboten. Medien und Journalist*innen, die die Wahrheit über den Angriffskrieg berichten, drohen hohe Geldstrafen und bis zu 15 Jahre Haft. Sie dürfen noch nicht einmal das Wort "Krieg" oder "Invasion" in den Mund nehmen - offiziell ist in Russland immer noch von einer "militärischen Spezialoperation" die Rede. Nach und nach haben deswegen so ziemlich alle unabhängigen Mediensender ihren Betrieb in Russland einstellen müssen. Auch gegen Widerstand aus der Zivilbevölkerung wird konsequent vorgegangen: Seit Beginn des russischen Militärangriffs auf die gesamte Ukraine wurden in Russland über 14.000 Menschen bei Anti-Kriegs-Demonstrationen verhaftet. Trotzdem kommt es immer wieder zu Protesten gegen die Regierung.
Anfang der Woche hat Marina Owsjannikowa im russischen Fernsehen für Aufmerksamkeit gesorgt.
Sie hat ein Anti-Kriegs-Plakat mit der Aufschrift "Kein Krieg. Beenden Sie den Krieg. Glauben Sie der Propaganda nicht. Hier werden Sie belogen. Russen gegen den Krieg" in die Kamera gehalten, um die Zuschauer*innen wachzurütteln. Denn viele Menschen in Russland wissen immer noch nicht, was in der Ukraine tatsächlich passiert und glauben den Lügen der Regierung. Owsjannikowa wurde direkt festgenommen und erst mal zu einer Geldstrafe verurteilt, es drohen aber noch weitere Konsequenzen.
Die Macht des Fernsehens
Die Macht des Fernsehens ist für Putins Propaganda auch im Zeitalter von Social Media noch enorm. Über Jahre hinweg hat die russische Bevölkerung manipulative Narrative erzählt bekommen, um ihre Denkweise so zu beeinflussen, dass alternative Quellen und Fakten gar nicht mehr wahrgenommen oder aber direkt als Fake News verurteilt werden. Und das hat bei einigen funktioniert: Das Staatsfernsehen ist für Millionen Menschen in Russland die Hauptnachrichtenquelle und deswegen ein extrem wichtiges Instrument bei diesem Krieg. Umso beeindruckender war die Aktion von Marina Owsjannikowa.
Was genau Propaganda bedeutet, erklären wir übrigens noch mal hier im egoFM Reflexikon.
Vom autoritären System zur Diktatur
Schon seit einiger Zeit wurde die Meinungs- und Pressefreiheit in Russland immer weiter eingeschränkt, seit drei Wochen hat sich die Situation aber grundlegend verschlechtert:
"Man kann jetzt davon ausgehen, dass was früher noch ein autoritäres System mit Inseln der Pressefreiheit war, jetzt in den letzten Wochen tatsächlich zu einer Diktatur gewandelt wurde, wo keine alternative Meinung und keine Fakten, die nicht der Kreml-Linie entsprechen, überhaupt möglich sind." - Dr. Anna Litvinenko
Damit ist keine Opposition und keine ausgewogene Berichterstattung mehr möglich. Auch diverse westliche Medien haben ihre Arbeit in Russland eingestellt und globale Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Instagram sind nicht mehr verfügbar. Als alternative Informationsquellen nutzen viele jetzt Telegram, auch YouTube ist aktuell noch nicht gesperrt - die Möglichkeiten, sich abseits der Propaganda zu informieren, werden aber jeden Tag weniger.
Wie erfolgreich Putins Vorgehen ist und wie der Großteil der Bevölkerung tatsächlich zur russischen Regierung steht, ist allerdings nur sehr schwer zu sagen.
Selbst den Meinungsumfragen kann in Russland nicht vertraut werden, da auch diese vom Staat durchgeführt und in der Regel nur die Menschen befragt werden, die den Staat befürworten. Die genaue Zahl derer, die schweigend gegen Putin und seinen Krieg sind, ist deswegen gar nicht feststellbar. Gerade diese Menschen sollen aber eben mit Protestaktionen erreicht werden. Sie sollen bestärkt und ermutigt werden und merken, dass sie mit ihren Ansichten nicht alleine sind.
"Menschen die vielleicht Zweifel hatten, die nur mit einem Auge Fernsehen schauten, die schweigend dagegen waren - denen hat es Mut und Hoffnung gegeben, dass es selbst in Reihen von Propagandisten, innerhalb vom staatlichen Fernsehen, Leute gibt, die sich schämen und für die schon eine rote Linie überquert wurde, wo sie nicht mehr schweigen können." - Dr. Anna Litvinenko
Und genau deswegen, sind Demonstrant*innen und Aktivist*innen für die Regierung auch so gefährlich. Denn natürlich können einzelne Protestaktionen wie die von Owsjannikowa keine jahrelange Propaganda zerstören, aber sie können einen ersten, extrem wichtigen Impuls zum Widerstand geben.