Genesis Owusu: STRUGGLER
Das Album der Woche
Wenn "einfach die Ohren steifhalten" auch nicht mehr weiterhilft, ist Genesis Owusu zur Stelle.
Geschichten, in denen ein Tier die Hauptrolle spielt – davon gibts eh schon mehr als genug. Hunde und Katzen?
Viel zu viele um die hier aufzuzählen. Clownfische? Sowieso legendär. Truthähne, Waschbären, Polizeihasen? Alles schon geschehen. Aber wo bleibt das Cinematic Universe über die Kakerlake? Da gibts noch kaum Vertreter und wenn überhaupt werden die armen Viecher dann eher zum hirnlosen Bösewicht degradiert. Da geht noch deutlich mehr, vor allem wenn es nach Genesis Owusu geht.
Der macht die Kakerlake nämlich kurzerhand zum Hauptcharakter seines zweiten Albums – und dieser Soundtrack ist so was von oscarreif.
Unter dem Sofa droht die Apokalypse
Er wollte nicht einfach nur originell sein und die Chancen, dass sich der ghanaisch-australische Musiker lieber Hauskakerlaken als Goldfische hält, sind auch relativ gering: Genesis hat sich diese besondere Hauptfigur schon aus gutem Grund ausgesucht. Denn auf STRUGGLER geht es ums Überleben. Und zwar unter den allermiesesten Umständen. Genesis Owusu wirft uns beim Zuhören in eine Welt nach dem Weltuntergang. Und anders als bei den Kollegen von KIZ wird hier erst mal so gar nichts besser: Gleich beim Opener "Leaving The Light" geht es wortwörtlich in die Dunkelheit. Wenn Synthiebass und Drumcomputer losrollen, fühlt man sich regelrecht so, als würde man panisch vor einem übermächtigen Wesen durch eine zerstörte Landschaft flüchten. Zu allem Überfluss hat es die Kakerlake eben auch noch mit einem dezent überlegenem Bösewicht zu tun:
Der Allmächtige selbst scheint es auf das arme Tier abgesehen zu haben und legt immer wieder Steine, Dornen und andere Gemeinheiten in den Weg – und so langsam klingen sechs Beine und ein harter Panzer dann doch nach einem ziemlich guten Deal.
Bedroom Punk
Genauso atemlos wie Genesis Owusu seinen Kakerlakenprotagonisten durch die STRUGGLER Welt hetzen lässt, wirbelt er selbst durch seinen Sound. STRUGGLER ist mal wieder so ein Album, dass alle Genreschubladen kopfüber aufreißt, auf dem Boden vermischt und so sehr durcheinanderbringt, dass das kein Mensch mehr auseinander sortiert bekommt. Im ganz weiten Sinne ist das immer noch Punk – aber keiner, der entspannt in der Garage mit ein paar Freund*innen entsteht: Sondern der, der alleine im Zimmer am Laptop entsteht und so zum puren Ventil für alle Emotionen wird. Harte Drumcomputerbeats werden von verzerrten Gitarrenriffs durchschnitten, während Genesis zwischen hektischem Sprechgesang und sanften Melodien hin- und herwechselt. Dabei erinnert er gerne mal an die Young Fathers oder Yves Tumor – aber eben auch an Childish Gambino und Kaytranada. Denn der Überlebenskampf der Kakerlake klingt nicht nur atemlos angespannt, sondern manchmal auch smooth soulig nach innen gekehrt. Wenn Genesis in "See Ya There" gefühlvoll darüber sinniert, einfach alles hinzuschmeißen und zur Hölle zu fahren, wird man beim Hören schon besonders kalt erwischt – nur um dann gleich danach mit "Freak Boy" wieder in den Moshpit zu rutschen.
Verwandlung
Konzeptalben laufen bekanntlich gerne mal Gefahr, übermäßig verkopft und unzugänglich zu klingen. Diesem Problem geht STRUGGLER aber elegant aus dem Weg. Man kann die Songs alle auch einzeln für sich genießen, ohne die große Hintergrundgeschichte ständig im Ohr behalten zu müssen. Aber sie macht aus einem guten Album eben ein ganz besonderes. Denn – Überraschung: Auch wenn es in den Songs scheinbar um Kakerlaken und Götter und Göttinnen geht, sind die Motive der Geschichte ganz tief menschlich. Auf STRUGGLER geht es nämlich hauptsächlich ums Überleben und die dazugehörigen Emotionen, egal ob Panik, Erschöpfung oder eben auch Euphorie dem sicher geglaubten Ende doch noch gerade so entkommen zu sein. Und zwischen Inflation und drohendem Nuklearkrieg kann man sich schon mal wie im Weltuntergang vorkommen und sich die Widerstandsfähigkeit eines kleinen sechsbeinigen Krabblers wünschen.
Genesis Owusu macht die Kakerlake also nicht nur zur Hauptfigur – er macht sie gleich noch zum ungewöhnlichen Vorbild.
Tracklist: Genesis Owusu - STRUGGLER
Leaving The Light
The Roach
The Old Man
See Ya There
Freak Boy
Tied Up!
That's Life (A Swamp)
Balthazar
Stay Blessed
What Comes Will Come
Stuck To The Fan