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Der Bundestag soll kleiner werden - aber wie?

Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Max Oehl

03.02.2023

Der Bundestag ist eines der größten Parlamente der Welt - das soll sich durch die geplante Wahlrechtsreform ändern.

Vor einer Woche hat der Bundestag das erste Mal über den Reformvorschlag der Ampel-Koalition beraten, bis Ostern soll es eine Entscheidung geben. Max Oehl ist Mitinitiator der Initiative Brand New Bundestag und hat nach der Wahl 2021 mit uns über Diversität im Bundestag gesprochen. Im Interview mit Gloria hat er jetzt die aktuelle Debatte eingeordnet.

Vielfalt in der Politik

Die Initiative Brand New Bundestag setzt sich erfolgreich für mehr Vielfalt in der Politik ein und 2021 sind einige ihrer Kandidat*innen in den Bundestag eingezogen. Hätte es allerdings den Vorschlag der Ampel-Koalition bereits bei der letzten Bundestagswahl gegeben, wären einige Kandidat*innen des Brand New Bundestag-Netzwerks nicht in das Parlament eingezogen. Denn viele von ihnen haben das nur knapp durch Überhang- und Ausgleichsmandate geschafft. 

"Das hängt damit zusammen, dass in dem innerparteilichen Prozess diese Listenaufstellung sehr umkämpft ist und es geht vor allem darum, wie viel innerparteiliche Unterstützung man sich organisieren kann, wie viele Delegiertenstimmen man am Ende bekommt und einfach, was das Standing in der Partei ist." - Max Oehl

Infolgedessen haben natürlich vor allem Parteimitglieder, die schon lange in den Strukturen sind und viele Menschen kennen, einen Vorteil. Und so landen eben häufig die älteren Kandidat*innen auf den vorderen Plätzen. Gleichzeitig stehen die Menschen, die neuer dabei sind - wenn überhaupt - eher auf den hinteren Plätzen und ziehen oft nur gerade so über Überhang- und Ausgleichsmandate ein, erklärt Max Oehl. Der Knackpunkt der geplanten Wahlrechtsreform ist, dass diese Mandate abgeschafft werden sollen.

Was genau Überhang- und Ausgleichsmandate sind, haben wir hier im egoFM Reflexikon kurz und verständlich zusammengefasst.

"Insofern ist das natürlich einfach in dem Kontext dieser Wahlrechtsreform ein expliziter Auftrag an die Parteien, dafür zu sorgen, dass diese Listen so divers sind wie möglich, dass sie wirklich angemessen die Bevölkerung repräsentieren und vor allem zum Beispiel eben auch, aber nicht nur, junge Menschen auf vordere Plätze kommen, um sicherzustellen, dass sie am Ende auch wirklich im Parlament landen." - Max Oehl 

Es geht also vor allem um die innerparteiliche Kultur und die Parteien selbst sind dazu aufgerufen, proaktiv eine neue Personalentwicklung voranzutreiben, sagt Max Oehl.  Das beobachtet und dokumentiert die Initiative mit ihrem Projekt Parteiwatch.

"Neben dem Aspekt der Diversität geht's da eben auch einfach darum, frische Impulse aus der Gesellschaft aufzugreifen und eben auch stellvertretend Leute, die zum Beispiel zivilgesellschaftlich aktiv sind, auf die eigenen Listen zu packen. Und das eben nicht nur pro forma auf irgendwelche hinteren Listenplätze, wo sie dann sowieso nicht reinkommen [in den Bundestag], sondern halt wirklich vorne, wo es auch machtpolitisch interessant wird." - Max Oehl

Das Wahlalter zu senken ist Teil des Koalitionsvertrags der Ampelregierung 

Auch das Wahlalter ist beim Thema Vielfalt im Bundestag ein häufig diskutierter Faktor. Aufgrund der deutschen Demographie begrüßt Max Oehl alles, was dazu führt, dass junge Menschen mehr Gehör in der Politik finden - dementsprechend auch das Vorhaben, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken. Denn aktuell haben wir eine starke Überrepräsentation von Stimmen über 50, was gerade mit Blick auf die großen Herausforderungen der nächsten Jahre schwierig ist.

"Sei es im Kontext der Klimakrise aber auch in vielen sozialen Fragen, ist es glaube ich total wichtig, dass diese jungen Stimmen zur Geltung kommen, weil natürlich junge Menschen dann auch ein besonderes Interesse daran haben, dass wir zum Beispiel in 30, 40, 50 Jahren noch in einer lebenswerten Welt leben." - Max Oehl

Und da ist seiner Meinung nach der Gesetzgeber gefragt, sich zu überlegen, wie das sichergestellt werden kann. 

Eine Wahlrechtsreform steht schon lange im Raum

Seit fast einem Jahrzehnt wird darüber diskutiert, wie der Bundestag verkleinert werden kann - denn die eigentliche Regelgröße von 598 Mandaten wird immer überschritten und der Bundestag immer größer. Aktuell ist er mit 736 Abgeordneten eines der größten Parlamente der Welt. Und das hat Folgen: Ein großes Parlament kostet die Steuerzahler*innen mehr Geld - Reiner Holznagel, Präsident des Bundes für Steuerzahler sagt, dass in den nächsten vier Jahren mindestens 410 Millionen Euro mehr anfallen, als bei einem Parlament mit Regelgröße. Außerdem werden Entscheidungsprozesse schwieriger und langwieriger und auch die Platzfrage steht im Raum, sollte der Bundestag immer weiter wachsen. 

"Man könnte sicherlich hin und her diskutieren, ob es jetzt so zwingend ist, diese Regelgröße wieder einzuhalten, aber auf jeden Fall steht es eben so im [Bundeswahlgesetz] und deswegen hat man sich entschieden, das [Einhalten der Regelgröße] voranzutreiben." - Max Oehl

An der geplanten Art und Weise gibt es allerdings auch Kritik, vor allem von der Union. Sicherlich auch mitunter, weil der Vorschlag der Regierung vor allem auch die CSU in Bayern treffen würde. Die Gegenvorschläge wiederum würden die CDU/CSU bevorteilen, erklärt Max Oehl. Ob die Wahlrechtsreform also wie geplant umgesetzt oder vielleicht doch ein Kompromiss gefunden wird, bleibt also erstmal noch abzuwarten.