Das Comeback der Montagsdemos
Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Maximilian Kreter
In Städten wie Leipzig, Magdeburg oder Weimar demonstrieren seit Anfang September montags immer wieder Menschen bei sogenannten Energieprotesten und auch Pegida ist nach monatelanger Pause zurück auf den Straßen. Eine Einordnung von Maximilian Kreter.
Maximilian Kreter ist Wissenschaftler am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung der TU Dresden. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem Rechtsextremismus, politisch motivierte Gewalt und Wahlforschung, insbesondere in den neuen Bundesländern.
Das Comeback der Montagsdemos
Nachdem seit Pegida jahrelang das Thema Asylpolitik im Fokus stand, gingen die Menschen seit 2020 montags vor allem gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. Nun geht es seit einigen Wochen um die Sanktionen gegen Russland und die Energiekrise - und auch Pegida ist nach monatelanger Pause zurück auf den Straßen.
Wie viele und welche Menschen an den Demonstrationen teilnehmen, hängt stark davon ab, von wem diese organisiert werden, wo sie stattfinden und wer bei den Kundgebungen spricht. Grundsätzlich betont Maximilian Kreter aber, dass die Montagsdemonstrationen meist von rechtsradikalen Akteur*innen mobilisiert werden.
"Ob man jetzt Pegida, die Freien Sachsen oder die AfD nimmt - sie stehen an der Spitze dieser Demonstrationen." - Maximilian Kreter
Deswegen würde der Wissenschaftler nach Jahre andauernden Protesten auch nicht mehr davon sprechen, dass sich "besorgte Bürger*innen" und die rechte Szene montags auf der Straße quasi zufällig vermischen.
"Die Leute, die dort zu diesen Demonstrationen gehen, sind sich durchaus bewusst, mit wem sie da demonstrieren und müssen dann auch mit einer entsprechenden Kontextualisierung leben und rechnen. Sie marschieren und demonstrieren mit Rechtsextremen im größten Teil, wenn diese zu diesen Demos mobilisieren und aufrufen. Und von daher ist das keine Vermischung, sondern die Leute gehen mit einer klaren Absicht auf die Straße." - Maximilian Kreter
Die Ursprünge der Montagsdemonstrationen haben übrigens so gut wie nichts mit den Protesten von heute gemeinsam. Entstanden sind diese nämlich bereits in der DDR und waren damals ein wesentlicher Teil der Friedlichen Revolution.
"Die jetzt stattfindenden Montagsdemonstrationen, die sich in den Kontext von 1989 stellen, die gehen in einer Demokratie gegen eine vermeintliche Diktatur - oder eine von ihnen wahrgenommene Diktatur - auf die Straße, während 89 die Leute in einer Diktatur für Demokratie auf die Straße gegangen sind." - Maximilian Kreter
Heute werden Slogans wie "Wir sind das Volk" oder "Wende 2.0" bewusst von der rechten Szene missbraucht, erklärt Maximilian Kreter. Mehr Infos zur Geschichte der Montagsdemos findest du hier im egoFM Reflexikon.
Anders als die Montagsdemonstrationen der letzten Jahre, die mit der Zeit durchaus in ganz Deutschland präsent waren, finden die aktuellen Proteste hauptsächlich in den neuen Bundesländern statt.
Unter anderem spielen dabei Umstände wie prorussische Überbleibsel aus der DDR, die schlechtere wirtschaftliche Lage in den neuen Bundesländern, aber auch die kulturellen und politischen Zurücksetzungserfahrungen der ostdeutschen Bürger*innen eine Rolle. Außerdem ist die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber des AfD-nahen Milieus und den Montagsdemonstrationen in Ostdeutschland grundsätzlich höher, sagt Maximilian Kreter. Auch die großen Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland sind augenscheinlich und gehen auf ähnliche Ursachen zurück. Die typischen AfD-Wähler*innen in den neuen Bundesländern sind männlich und mittelalt und im Gegensatz zu den AfD-Wähler*innen im Westen kulturell und wirtschaftlich oft weniger gut situiert.
Aber nicht nur die Montagsdemonstrationen sind wieder verstärkt da.
Kurz nach dem 30. Jahrestag von Rostock-Lichtenhagen gab es wieder Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Ob rechte Gewalt allerdings gerade grundsätzlich wieder zunimmt, kann Maximilian Kreter im Moment noch nicht beurteilen.
"Was aber grundsätzlich hilft [gegen eine Radikalisierung von Rechts] ist eben das Vertrauen in den Staat, die Demokratie, und unser politisches System wieder herzustellen und eben auch die ökonomischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das heißt zum Beispiel gerade im Osten Daseinsvorsorge nicht mehr zurückzubauen und wieder auszubauen. Das heißt, dass das auch zu einer gewissen Zufriedenheit führt, das hat sich in Studien durchaus auch als ein Faktor herausgestellt, in einem Bündel von Faktoren." - Maximilian Kreter